1865 Eisenbahningenieur entwickelt Flusswasserwerk für Braunschweig

Im Jahr 1865 wurde in Braunschweig die Stadtwasserkunst (Wasserwerk) im heutigen Bürgerpark eröffnet. Bis dahin übernahmen sieben Pipenbrüderschaften (Genossenschaften) die Wasserversorgung der Stadt aus Flachbrunnen und Okerwasser. Durch das Anwachsen der Bevölkerung und die vermehrte Industrieansiedlung war die ausreichende Frischwasserversorgung mengenmäßig und aus hygienischen Gründen gefährdet.

Bereits 1852 gab es durch den Stadtbaurat Köllsch den ersten Versuch, das System zu sanieren und zu erweitern, der aber aus Kostengründen scheiterte. 1858 wurde mit der Staatsregierung über eine finanzielle Unterstützung verhandelt und eine Kommission aus fünf Stadträten, dem Stadtbaumeister Tappe und dem Kreisbaumeister Götte bereitete die Arbeiten für ein neues Konzept vor.

Dem Eisenbahningenieur Clauss wurde die Projektierung einer neuen Anlage übertragen. Clauss entschied sich, Okerwasser für die Trinkwasserversorgung zu nutzen. Er entwickelte für Braunschweig ein Flusswasserwerk, welches das Okerwasser über mehrere Stufen mechanisch reinigte. Reste dieser Anlage sind die heutigen Kennelteiche (früher Absetzbecken) und das Hochreservat (frühere Sandfilter) hinter dem ehemaligen Freizeit- und Bildungszentrum, zu dem das Wasserwerk in den 1960er Jahren umgebaut wurde. Die architektonische Gestaltung der Anlage übernahm Stadtbaurat Tappe, der 54 m hohe Druckturm mit zwei Druckröhren und einem Schornstein wurde in gotischen Schmuckformen gestaltet.

1864 waren 760 Häuser an die neue Trinkwasserversorgung angeschlossen, 1866 bereits knapp 1.000. Die Wasserförderung lag 1865 bei ca. 33.000 m³ und 1867 bei ca. 80.000 m³. Das Wasserwerk wurde als soziale Einrichtung von den Stadtwerken betrieben und erhob Gebühren, die bei Privatkunden in Abhängigkeit zum Mietzins und der Einrichtung (Zahl der Zapfstellen, Bad oder Closett) geschätzt wurden. Im Jahr 1867 wurden 4.000 Taler als Gewinn erwirtschaftet.

Quellen: May, Streibel: Braunschweiger Architekturführer, Höller und Zwick, Braunschweig 1986. Appelt, Müller: Wasserkünste und Wasserwerke der Stadt Braunschweig, Braunschweiger Werkstücke 1964. Grahn: Die städtische Wasserversorgung im deutschen Reiche, München/Berlin 1902.