1868 Erstes mechanisches Weichen- und Signalstellwerk mit gegenseitiger Verriegelung in Braunschweig

Im Jahre 1868 entschied sich die Herzoglich Braunschweigischen Staatseisenbahn für den Bau einer zweigleisigen Verbindungsstrecke von Jerxheim in das südlich von Braunschweig gelegene Börßum. In diesem Zusammenhang entstand dort ein  Kreuzungsbahnhof mit über 60 Weichen und einer Bahnsteiglänge von mehr als 900 m. In Börßum traf die 1844 zweigleisig ausgebaute Strecke Braunschweig – Bad Harzburg mit der Braunschweigischen Südbahn aus Richtung Kreiensen über Salzgitter zusammen. Die neue Verbindungsstrecke ermöglichte es, den Fernverkehr auf den Strecken Berlin-Kreiensen-Ruhrgebiet bzw. Berlin-Kassel-Frankfurt in gerader Linie an Wolfenbüttel vorbei zu führen, so dass ein Kopfmachen des Zuges mit dem Umsetzen der Lokomotive im dortigen Bahnhof entfiel.

In der Anfangszeit des Bahnverkehrs mussten Stellelemente wie Weichen und Signale noch an ihren Einbau- bzw. Aufstellorten bedient werden. Um auf größeren Bahnhöfen die Stellelemente für die Ein- oder Ausfahrt eines Zuges in endlicher Zeit in die richtige Lage zu bringen, wurden mehrere Bedienstete gleichzeitig eingesetzt. Aufgrund der recht weitläufigen Bahnanlagen kam es nicht selten zu Verständigungsschwierigkeiten und Fehlbedienungen, mit der Folge dass Züge in ein falsches Gleis fuhren. Auch gab es noch keine Abhängigkeiten zwischen den Stellelementen. So war es möglich, ein Signal auf Fahrt zu stellen, ohne dass die im Fahrweg liegenden Weichen bereits in die entsprechende Lage gebracht waren. Durch die Konzentration der Bedienelemente in einem Stellwerk konnte ein Umlegen der Weichen bei einem auf Fahrt stehenden Signal durch mechanische Vorrichtungen verriegelt werden. Die Weichen in den Nachbargleisen konnten in diesen Verriegelungsmechanismus einbezogen werden, sodass Unfälle durch seitlichen Aufprall bereits zu dieser Zeit verhindert werden konnten.

Im Bewusstsein dieser Problematik wurde 1868 in Börßum mit dem Umbau zum Kreuzungsbahnhof der erste „Zentralapparat“ auf deutschem Boden* in Betrieb  genommen. Es handelte sich dabei um ein von der englischen Firma Saxby & Farmer entwickeltes und von der Kölnischen Maschinenbau-Aktiengesellschaft in Bayenthal (BAMAG) gefertigtes Stellwerk, bei dem die Weichen über Gestänge und die Signale über Drahtseilzüge gestellt wurden. Durch die Konzentration der Bedienelemente in einem Stellwerk konnte ein Umlegen der Weichen bei einem auf Fahrt stehenden Signal durch mechanische Verriegelung verhindert werden. Überdies wurden die Stellelemente der Nachbargleise in diesen Verriegelungsmechanismus einbezogen, so dass man Unfälle durch Flankenfahrten verhindern konnte. Neben diesem Sicherheitsgewinn für den Zugverkehr reduzierte sich auch die Gefährdung der Bediensteten in hohem Maße, da das Durchlaufen oder Überschreiten der Gleise zu den Stellelementen zum größten Teil entfiel.

So schrieb das Herzogtum Braunschweig auf deutschem Boden nicht nur mit der ersten Staatseisenbahn , sondern auch mit der Inbetriebnahme des ersten Stellwerks mit moderner gegenseitiger Verriegelungstechnik Eisenbahngeschichte. Die Verriegelung des Fahrwegs und die Verhinderung von Flankenfahrten sind bis heute wichtiger Bestandteil der Eisenbahn-Sicherungstechnik , an der in Braunschweig seit dieser Zeit nachhaltig geforscht und gearbeitet wird.

Quellen:
Schacht, Wolfgang (Redaktion): BDEF Jahrbuch 1994 (Tagungsprogramm Paderborn 12. bis 15.05.1994). Lübbecke: Uhle & Kleimann 1994
www.albert-gieseler.de/dampf_de/firmen0/firmadet1352.shtml . (abgerufen 10.04.2020)